Meldung von Berufskrankheiten – Warum überhaupt?

Tischkalender, auf dem an zwei Tagen das Wort „Krank“ in rot vermerkt ist. Bild von Adobe Stock

Die Meldung eines begründeten Verdachts auf das Vorliegen einer Berufskrankheit wird vom Gesetzgeber als sehr relevant angesehen. Daher werden wir Ärzte dazu verpflichtet, die Meldung selbst gegen den Willen des/der Betroffenen zu erstatten. Dadurch soll zum einen vermieden werden, dass der einzelne sich weiter schädigt – womöglich aus medizinischer Unkenntnis – und zum anderen können auch weitere Beschäftigte von den schädigenden beruflichen Einwirkungen betroffen sein. Durch die Meldungen sollen in bestimmten Branchen mögliche überproportional häufig auftretenden gesundheitliche Schädigungen epidemiologisch identifiziert werden. Dieser Aspekt wird gleichzeitig auch ein Motiv für Ärzte sein, der Pflicht zur Erstattung von Meldungen an die Unfallversicherung nachzukommen.

Auch wenn die Erstattung einer Ärztlichen Anzeige gegen den Willen des/der Betroffenen erfolgen kann, wird versucht werden, mithilfe von Aufklärung das Einverständnis zu erhalten. Wird eine Anzeige ohne Einwilligung erstattet, ist es dennoch notwendig dies dem Beschäftigten mitzuteilen.

Wird der ärztlichen Meldepflicht nicht nachgekommen, ist dies in Gegensatz zu Österreich, nicht sanktioniert. Dennoch vernachlässigt man in diesem Fall die Rolle, die uns Ärzten als Fürsprecher unserer Patient*innen zukommt. Nur durch die Meldung von Berufskrankheiten können Patient*innen ihre gesetzlich zustehenden Ansprüche geltend machen. Die Ansprüche können sich zum Beispiel neben verschiedenen medizinischen Leistungen nach gesundheitlicher Schädigung am Arbeitsplatz auch z.B. auf Geldleistungen wie Teilhabeleistungen, Verletztengeld oder ggf. Rentenleistungen beziehen. Mit eingeschlossen sind auch die sogenannten Wegeunfälle, womit Gesundheitsschäden, die auf dem Weg zu oder von der Arbeit auftreten, gemeint sind.

Obwohl Ärzte für das Nichterstatten einer Berufskrankheitsanzeige keine behördlichen Sanktionen befürchten müssen, könnten sie zivilrechtlich für entgangene Leistungen seitens des/der Betroffenen haftbar gemacht werden. Folgendes Beispiel: Im Falle von beruflichem Hautkrebs durch Sonneneinstrahlung (Berufserkrankung BK 5103) können Rentenleistungen bis zu vier Jahre rückwirkend ab dem Datum der Meldung seitens der Unfallversicherung gezahlt werden. Hierbei ist das Datum der Meldung maßgeblich. Bei einer verspäteten Meldung könnten dem/der Betroffenen unter Umständen mehrere Jahre Entschädigungsleistungen vorenthalten worden sein. Zum jetzigen Zeitpunkt sind unseres Wissen nach solche Fälle nicht vor deutschen Gerichten bekannt.

Bei der gesetzlichen Krankenkasse gilt, dass die medizinischen Leistungen ausdrücklich nicht mehr als „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ (Paragraf 12 SBG 5**) sein dürfen – gemäß dem Wirtschaftlichkeitsgebot. In Gegensatz dazu darf bei der gesetzlichen Unfallversicherung mit allen geeigneten Mitteln eine beruflich bedingte gesundheitliche Beeinträchtigung beseitigt werden (Paragraf 1 SGB 7***). Deshalb liegt es im Interesse der Ärzte, entsprechende Meldungen vorzunehmen, da die Versorgung in der gesetzlichen Unfallversicherung in einer ganz anderen Ebene stattfinden kann. Das führt dazu, dass z.B. Therapien durchgeführt werden können, die im Rahmen der gesetzlichen Krankenkasse nicht liquidationsfähig sind. Es kann im Sinne der Einzelleistungsvergütung nach der Gebührenordnung für die gesetzliche Unfallversicherung (UV GOÄ) abgerechnet werden. Am Beispiel der bereits erwähnten Berufskrankheit BK 5103 ("Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung“) können LASER-Therapien wie auch eine leitliniengerechte Nachbehandlung mit Dexpanthenol-haltigen Externa ohne Kosten für den/die Patient*in durchgeführt werden. Anhand des Beispiels BK 5103 kann gut gezeigt werden, warum Deutschland mit ca. 10.000 neuen Ärztlichen Anzeigen jedes Jahr Spitzenführer bei den Meldungen von beruflichem Hautkrebs ist. Und das obwohl in Deutschland erst seit 2015 diese Berufskrankheit in die Berufskrankheitenliste aufgenommen wurde, während in anderen Ländern wie Dänemark (2000) oder Italien (2008) Hautkrebs schon länger als Berufskrankheit anerkannt ist. In diesen werden allerdings kaum Meldungen gemacht, da dort, wie in den meisten übrigen Ländern, weder für den Arzt noch für den Patienten keine wirklichen incentives mit der Meldung verknüpft sind. Konkrete Vorteile für die/den Betroffenen (bessere medizinische Versorgung, Geldleistungen) und auch für den/die Arzt/Ärztin (bessere Versorgungsmöglichkeiten und wirtschaftliche Liquidation) die mit einer solchen Meldung einhergehen, gibt es dagegen nur in Deutschland. Daher mein Appell an uns Ärzte: Weiter Betroffene durch Meldungen unterstützen.

 

*Paragraf 202, SGB 7: Haben Ärzte oder Zahnärzte den begründeten Verdacht, daß bei Versicherten eine Berufskrankheit besteht, haben sie dies dem Unfallversicherungsträger oder der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle in der für die Anzeige von Berufskrankheiten vorgeschriebenen Form (§ 193 Abs. 8) unverzüglich anzuzeigen

** Paragraf 12, SGB 5 (1):  1 Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. 2 Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

*** Paragraf 1, SGB 7: Prävention, Rehabilitation, Entschädigung Aufgabe der Unfallversicherung ist es, nach Maßgabe der Vorschriften dieses Buches 1.mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten, 2.nach Eintritt von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und sie oder ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen.

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